KRIEGSKUNST

szenische Lesung

mit Johannes Leichtmann & Christoph Wehr

Der erste Weltkrieg veränderte durch seine industrialisierte Kriegsführung, seine Dauer und die 10.000.000 Opfer die Wahrnehmung des Krieges als politischem Mittel grundlegend. Er stand am Beginn eines von Kampf und Terror gezeichneten Jahrhunderts.
Die gesellschaftliche Gewalt war entfesselt. Heute, hundert Jahre nach seinem Ende, gilt es die Zeichen der Zeit erneut auf ihre Aktualität zu deuten. Die Beteiligung Europas an „bewaffneten Konflikten“ nimmt als „Kampf gegen den Terror“ zu. Die Schrecken des Krieges und seine menschenverachtende Haltung rücken in den Hintergrund.
Die Lesung zeigt das Gesicht des Krieges aus verschiedenen Perspektiven (E. Jünger, E. M. Remarque, E. Köppen, u. a.).

Dauer: ca. 90 Minuten
mit: Johannes Leichtmann & Christoph Wehr
eine Koproduktion von WildWuchs Theater & drama-tisch

Info: theaterpaedagogik@wildwuchs-bamberg.de

programmatische Einordnung

KRIEGSKUNST beschreibt die Zeit von 1910 – 1918. Warum zogen die Deutschen so begeistert in den Krieg? Bestand Deutschland nur aus engstirnigen Militaristen, die mit Hurra ihr Leben Kaiser und Varerland opfern wollten? Wie kam es zu dieser – aus heutiger Sicht unverständlichen – Begeisterung, zu dieser Befürwortung von Gewalt und Vernichtung? Was hat das Deutsche Reich von 1914 mit dem Deutschland von 2018 zu tun? Haben wir Militarismus und Kadavergehorsam nicht hinter uns gelassen? Ist das alles nicht längst überwunden und Geschichte?

Johannes Leichtmann und Christoph Wehr machen mit KRIEGSKUNST diese Zeit wieder erschreckend lebendig, sie tauchen in ihrer szenischen Lesung in einen Dialog über den Alltag an der Front ein, sprechen über „Heldenmut“ und „Feigheit“, erleben Visionen und Reflexionen der Gewalt und das Trauma, das das Kriegserlebnis in sich trägt.

Die Lebendigkeit dieser Zeit und ihre Aktualität verdeutlicht sich, neben direkten inhaltlichen Bezügen, auch durch den Ort der Präsentation. Eine kontextuelle Vermittlung verstärkt die Nachhaltigkeit der Wahrnehmung des Zuschauers. Ob die Lesung in einer Schule, einer psychatrischen Anstalt, einer Fabrikhalle, dem Plenarsaal des Bundestags oder einem Keller gezeigt wird, sie tritt in eine Kommunikation mit dem spezifischen Raum und setzt besondere, ortverbundene Schwerpunkte.

Der Krieg wird nicht politisch erklärt und bewertet, sondern als soziokulturelles Phänomen beleuchtet. Er ist reinigender Neubeginn genauso wie verabscheuungswürdiges Massenmorden. Im Mittelpunkt steht das „Kriegstagebuch“ von Ernst Jünger. Dieses Tagebuch seiner Fronterlebnisse arbeitete Jünger später mehrfach literarisch auf und veröffentlichte es unter dem Titel „In Stahlgewittern“. Anders als in diesen heroisierenden Zusammenfassungen beschreibt das „Kriegstagebuch“ das Kriegsgeschehen spröder, ungefilterter und offener, eben als alltägliche Notiz. Jüngers Einträge belegen sprachlich die jugendliche Naivität eines Draufgängers, der Unberührbarkeit und Heldenmut beweisen will. Diese Naivität war nötig, um den Krieg als „reinigendes Gewitter“ zu begreifen. Hier eröffnete sich jedoch auch eine Radikalität, die dem Faschismus ihre politische Legitimation verlieh. Diesem patriotischen Militarismus steht der emphatische Pazifismus in Erich Maria Remarques Roman „Im Westen nichts Neues“ genauso entgegen, wie der fast dokumentarisch anmutende „Heeresbericht“ von Edlef Köppen. Neben diesen drei grundsätzlich verschiedenen Beschreibungen des Krieges wird der Abend durch weitere zeitgenössische Prosa und Lyrik erweitert.

Der erste Weltkrieg markiert einen Epochenwandel. Er beendete festgefügte Herrschaftskonstrukte und schuf gleichzeitig neue Möglichkeiten der politischen und gesellschaftlichen Machtverteilung. Die Monarchie wurde durch die Diktatur ersetzt, der europäische Faschismus brach sich schließlich Bahn. Die Industrialisierung der Wirtschaft sorgte ebenfalls für einen entscheidenden Wandel des Kriegsbegriffs. Die moralästhetisch begründete Definition des Kampfes „Mann gegen Mann“ bekam durch die „Menschen- und Materialschlachten“ mittels Senfgas und Sprenggranaten entscheidende Risse. Der Begriff des Kriegers wurde durch den Soldaten ersetzt und die K R I E G S K U N S T änderte ihr Gesicht. Der Fortschritt hat seinen Lauf genommen. Seine Spuren zeigen sich in der bis heute wachsenden Anzahl der Toten (WK I ca. 10.000.000; WK II ca. 53.000.000) und der technischen Perfidie der Waffensysteme (Atomwaffen und ... unbemannte Drohnen).

Sind wir immer noch verführbar? Ist der Gedanke an eine deutsche Vormachtstellung in Europa wirklich überwunden? So fern die begeisterten Kriegsfreiwilligen von 1914 auch heute im ersten Blick auf uns wirken mögen, so waren auch sie von der Notwendigkeit ihres Handelns überzeugt. Haben sich vielleicht nur Bezeichnungen und Mittel geändert? Der Begriff des Krieges ist geächtet. Deutschland hat kein Kriegs- , sondern bloß ein Verteidigungsministerium. Wo sind die Täter geblieben? Hat sich diese Frage durch die zeitliche Distanz biologisch gelöst? Müssen wir unsere Freiheit tatsächlich am Hindukusch verteidigen? Sterben mehr Menschen durch unsere Hand, wenn wir militärisch nicht tätig werden? Überwiegt die relative Zahl getöteter Menschen die Unmoral des Tötens? Heiligt nicht auch heute der Zweck die Mittel?
Diese szenische Lesung gibt den Menschen – Tätern wie Opfern – wieder eine Stimme. Sie zeigt wie nahe wir dem historischen Geschehen verbunden sind.

Am 18.12.2017 veröffentlichte die Bundesregierung den Rüstungsexportbericht der GKKE. Diesem Bericht zufolge wurden im Jahr 2016 Rüstungsgüter im Wert von 6,8 Milliarden Euro exportiert. Deutschland belegt den fünften Platz im Export von Rüstungsgütern (2014 war es der dritte). Schätzungen des Waffenforschers und Friedensaktivisten Jürgen Grässlin zufolge stirbt alle 14 Minuten ein Mensch weltweit durch eine Kugel der Firma Heckler und Koch. Die Wirtschaftsbranche macht bei der Reglementierung von Rüstungsexporten eine bizarre Rechnung auf: Sie stellt 100.000 Arbeitsplätze in Deutschland gegen jedes verhinderte Exportgeschäft von Waffensystemen in Rechnung. Darüber hinaus bewertet sie das Leben eines deutschen Soldaten höher, als das eines durch deutsche Waffen getöteten ausländischen Menschen. „Ist es nicht besser deutsche Waffen zu exportieren, als deutsche Soldaten in fremde Länder zu schicken?“


„Den Aufstand proben“

interaktiver Theaterworkshop zum Thema Rassismus

Projektbeschreibung:

Rassismus und rassistische Gewalt begegnen uns nicht nur als finster dreinblickende Gesellen auf Kundgebungen oder in dunklen Gassen. Fremdenfeindlichkeit wird zunehmend salonfähig und damit auch in unserem Alltag immer präsenter – in der Familie, im Freundeskreis, in der Schule, am Arbeitsplatz und im Sportverein. Zu selten sehen wir uns imstande, rassistischen Äußerungen, Angriffen oder Haltungen adäquat zu begegnen. Viel zu häufig eskalieren Situationen oder werden widerstandslos hingenommen.

Dieser vermeintlichen Ohnmacht wollen wir entgegentreten, indem wir zunächst in Kleingruppen basierend auf eigenen Erfahrungen der Jugendlichen kurze Szenen erarbeiten, in denen Rassismus offen hingenommen wird oder ein Einschreiten nicht den erhofften Effekt hat. Parallel zeigen wir Handlungsspielräume auf, um den Betroffenen einen positiveren Ausgang zu ermöglichen.

Im abschließenden Teil des Workshops präsentieren die Gruppen sich gegenseitig ihre Szenen. In einem zweiten Durchlauf wird jeweils allen anderen Teilnehmenden die Möglichkeit geboten, das Geschehen zu unterbrechen und selbst in eine der Rollen zu schlüpfen. Auf diese Weise können neue Lösungsansätze in einem geschützten Umfeld ausprobiert und gemeinsam diskutiert werden. Ziel ist es, unsere eigene Achtsamkeit zu schulen und uns zu ermutigen, Rassismus nicht einfach hinzunehmen, sondern aufzustehen und laut und deutlich „STOPP“ zu sagen.

Wir proben den Aufstand.

Angebot:

  • Geeignet für zwei bis vier Gruppen mit fünf bis 20 Personen.
  • Es wird keine Technik benötigt.
  • Das Angebot richtet sich insbesondere an Schulen und Jugendgruppen, kann aber in Absprache auch in Betrieben, Vereinen o.Ä. durchgeführt werden.

Dauer:

  • 1. Teil: Gespräch & Szene
    je Gruppe 2 UE
    (ab drei teilnehmenden Gruppen können jeweils zwei Gruppen zeitgleich betreut werden)
  • 2. Teil: Vorstellung & Forum
    zwei Gruppen: 1 UE
    drei bis vier Gruppen: 2 UE

 

Leitung: Daniel Reichelt & Johannes Leichtmann

Info: theaterpaedagogik@wildwuchs-bamberg.de


„Hast du Angst vor mir?“

interaktives Theater

Hintergrund

In Zeiten von „Fake News“ polarisiert sich unsere Gesellschaft zunehmend. Gleichzeitig gilt es, zahlreiche Menschen zu integrieren, ohne dabei den Gesamtkontext an sozialen wie bildungspolitischen Problemfeldern außer Acht zu lassen. Die Diversivität der in den Medien repräsentierten Meinungsbilder verstärkt den Einfluss von Vorurteilen und Ängsten im gesellschaftlichen Miteinander. Diese sind sowohl unter den einheimischen als auch unter den zu uns geflüchteten Menschen zu finden. Das medial verstärkte Gefühl der Bedrohung und der daraus resultierenden Angst vor dem Fremden und Unbekannten trifft so auf das Gefühl des Fremd-seins in einer neuen Gesellschaft und der Angst vor sozialer Nicht-Akzeptanz. Dies birgt die Gefahr einer fehlgeleiteten Integration und einer weiteren Ausprägung schon jetzt bestehender Parallelgesellschaften. Wie lassen sich interkulturelle Hemmschwellen vor diesem Hintergrund abbauen?

„Hast du Angst vor mir?“ ist ein interaktives Theaterstück, das Jugendliche für diesen Themenkomplex sensiblisiert. Indem die problematische Beziehung zwischen einem geflüchteten Syrer und einer Deutschen in Szene gesetzt und thematisiert wird, soll der Einfluss von Vorurteilen und Ängsten auf das zwischenmenschliche Handeln näher beleuchtet werden. Ziel ist auf diese Weise, interkulturelle Hemmschwellen und kommunikative Barrieren sichtbar zu machen und gemeinsam alternative Handlungsmöglichkeiten zu entwickeln. Das Klassenzimmer verwandelt sich so in ein Forumtheater und bietet Schülern einen geschützten Raum, der sowohl die Erfahrung als auch die Gestaltung von Welt ermöglicht.

Inhalt

Bilal liebt Sarah und Sarah liebt Bilal. Es könnte alles so einfach sein, doch die Beziehung der beiden stößt auf viel Kritik und Ablehnung. Bilal ist Flüchtling und noch dazu Muslim. Immer wieder müssen sie sich vor ihren Freunden und ihrer Familie rechtfertigen, so dass auch zwischen den beiden Missverständnisse und Zweifel entstehen. Nach einem Streit ist Bilal verschwunden und Sarah erreicht ihn nicht mehr. Ist es nun aus?

Aufbau

Das Stück ist für den Einsatz an Schulen konzipiert. Interaktive und szenische Sequenzen wechseln sich dabei ab, so spiegelt der Prolog zu Beginn das Scheitern am Ende. Retrospektiv wird erzählt, mit welchen Konflikten Sarah und Bilal im Verlauf ihrer Beziehung zu kämpfen haben. Indem die Geschichte zwischen den Szenen gestoppt wird, erhalten Schüler die Möglichkeit, das Geschehen aktiv mitzugestalten und den Ausgang der Szenen zu verändern.Sie können ihre eigenen Ideen und Vorschläge ausprobieren und so beispielsweise die Figuren verändern, neue Charaktere einführen, Szenen überspringen oder hinzufügen. Auf diese Weise kommt es zu einer eingehenden Auseinandersetzung mit den im Stück angesprochenen Themen. Im Gesprächmit den Theaterpädagogen werden die unterschiedlichen Perspektiven und Handlungen der Figuren kritisch hinterfragt und alternative Abläufe durchgespielt.

Zielgruppen

Jugendliche ab 14 Jahren. Schulartenübergreifend.

Aufführung und Dauer

Das Stück entspricht einem Umfang von 2 UE (90 Minuten) und ist besonders für den Einsatz an Schulen konzipiert. Aufführungen in Jugendeinrichtungen und sonstigen öffentliche Einrichtungen sind ebenso möglich. Die Teilnehmerbegrenzung liegt bei max. 30 Jugendlichen.

Leitung: Therese Frosch

Info: theaterpaedagogik@wildwuchs-bamberg.de


AUSCHWITZ
& das gesunde Volksempfinden

eine Annäherung

Lesung

„Die Zivilisationskatastrophe der Jahre 1933 – 1945 hat […] in dem hohen Grad an Freiwilligkeit bei der Beteiligung an Taten bestanden, deren Amoralität ganz außer Frage stand.“

(Jan Philipp Reemtsma)

„Es gibt keine deutsche Identität ohne Auschwitz"

(Ex-Bundespräsident Joachim Gauck)

Vor 73 Jahren wurde das KZ Auschwitz durch die rote Armee befreit. Das Leid der Lagerinsassen fand ein Ende und gleichzeitig wurde die Monstrosität der industriellen Menschenvernichtung offenbar.
Effizienz und Grauen dieser Vernichtung zeigen, dass wir der Opfer des Nationalsozialismus nicht gedenken können, ohne die Täter einzubeziehen. Chauvinismus, Rassentheorie, Antisemitismus und eine biologistisch begründete Moral schufen das gesellschaftlich gestützte Konzept der Täter, das auch nach 1945 weiterlebte.
„Wir haben nichts gewusst!“
Die Ignoranz dieses Ausspruchs gewinnt heute, durch den zeitlichen Abstand und neue politische Demagogen, wieder an Brisanz, denn dieses „Nicht-Wissen“ war und ist zeitlos abhängig von Interesse, Aufnahmevermögen und Empathie in Bezug auf die gesellschaftlichen Verhältnisse.
Die Lesung „Auschwitz & das gesunde Volksempfinden“ ist als Präsentation zur Aufarbeitung zum Thema Nationalsozialismus für Schulen (und jeden, der die Geschichte nicht „endlich ruhen lassen“ will) konzipiert. Sie erweitert den Unterrichtskomplex durch anschauliches, kontextualisiertes Material. Die deutsche Geschichte, die im Massenmord in den Konzentrationslagern mündete, wird aus der Täter- wie Opferperspektive, in dokumentarischen und literarischen Texten beleuchtet, um den gesellschaftlichen Rahmen erkennbar werden zu lassen, der ihren Hintergrund bildete. Wenn wir die Bestialität der Vernichtungsmaschinerie verstehen wollen, müssen wir sie als das Resultat einer gesellschaftliche Normalität erkennen.
Nach wie vor gilt es aus der Geschichte zu lernen, denn genauso wenig wie damals „die Nazis vom Himmel fielen und das deutsche Volk unterjochten“, sind sie heute verschwunden und wir vor ihren politischen und gesellschaftlichen Thesen gefeit.
Jede Epoche hat ihre historisch spezifischen Eigenheiten, die eine Entwicklung begünstigen, hemmen oder vorantreiben, und vor allzu vereinfachenden Vergleichen zur Gegenwart sei ausdrücklich gewarnt.
(Sicher ist die AfD von heute keine NSDAP von 1933, jedoch bedienen sich ihre inhaltlichen Botschaften gerne sprachlich ähnlicher Metaphern, und ihre Nähe zu gewaltbereiten Organisationen ließe Assoziationen an die Schlägertrupps der SA zu. Auch hier gälte es, den gesellschaftlichen Boden zu untersuchen, der eine solche öffentliche Radikalisierung möglich macht. Diese Aufgabe aber kann nur in einer anschließenden, expliziten Aufarbeitung, z.B. im Unterricht, erfolgen, implizite Botschaft der Lesung ist ein solcher direkter Vergleich nicht.)
Doch unabhängig aller Differenzierungen zwischen alter und neuer Rechten, berufen sich beide auf die Funktion als Sprachrohr und Willensausdruck des Volkes zu gelten. Diese Vereinnahmung, die nicht bloße Toleranz, sondern Legitimation und Zuspruch (durch das Volk) beinhaltet, verlangt eine Positionierung. Wir dürfen dieser (aktuellen) Entwicklung gegenüber nicht gleichgültig sein und sie als „alternativlos“ hinnehmen, denn Akzeptanz oder Teilnahmslosigkeit begünstigen die gesellschaftspolitische Radikalisierung. So werden wir zu Unterstützern des Extremismus.

Unter Bearbeitung der Texte und Dokumente von:
Bertolt Brecht, Viktor Frankl, Heinrich Himmler, Adolf Hitler, Rudolf Höss, Viktor Klemperer, Fillip Müller, (Sonderbehandlung), Jan Philipp Reemtsma, Rudolf Vrba, (Ich kann nicht vergeben), u.a.

Dauer: ca. 90 Minuten
anschließend ist eine Diskussion möglich/erwünscht
weitere Informationen und Buchungen unter:
theaterpaedagogik@wildwuchs-bamberg.de
Koproduktion mit www.drama-tisch.de

Die Lesung „Auschwitz & das gesunde Volksempfinden“ steht im Zusammenhang mit dem Projekt „ANSTÄNDIG GEBLIEBEN“, das in Kooperation mit interessierten Partnern (Schulen, Vereinen, Jugendinitiativen, freien Künstlern, etc.) gemeinsam entwickelt werden soll. Wir wollen unterschiedliche Darstellungsformen ergründen, innerhalb derer die inhaltlichen Schwerpunkte darstellbar sind.


ANSTÄNDIG GEBLIEBEN

kooperatives Projekt

„Die Zivilisationskatastrophe der Jahre 1933 – 1945 hat […] in dem hohen Grad an Freiwilligkeit bei der Beteiligung an Taten bestanden, deren Amoralität ganz außer Frage stand.“

(Jan Philipp Reemtsma)

AUSCHWITZ ist das Synonym für die Gräueltaten des NS-Regimes, aber er steht auch für die stillschweigende Duldung und Teilhabe – sowie die aktive Teilnahme – des deutschen Volkes an Ausgrenzung, Internierung und Vernichtung seiner als Untermenschen bezeichneten sogenannten Feinde. Mit zunehmender zeitlicher Distanz wird der Nationalsozialismus wieder bagatellisiert . Die Zahl der Zeitzeugen wird von Jahr zu Jahr geringer. Es bleibt ein historisiertes Zeugnis. Aber Auschwitz verlangt eine künstlerische, eine kulturelle, eine soziologische Auseinandersetzung. Das Projekt soll in Zusammenarbeit mit interessierten Partnern (Schulen, Vereinen, Künstlern, …) in verschiedenen Sparten (Spiel, Tanz, Musik, Dramaturgie, …) entwickelt und realisiert werden. Die Lesung AUSCHWITZ & das gesunde Volksempfinden bereitet thematisch das Projekt vor.

  • Dauer: Schuljahr 2018/19
  • Leitung: Christoph Wehr
  • Anmeldungen bis 30.Juni 2018
  • Koproduktion mit www.drama-tisch.de

Idee und Thema des Projektes:

Die Idee zum Projekt entstand aus dem Begriff einer „Leitkultur“, einer „nationalen Identität“ und seiner politischen Instrumentalisierung. Ein kulturell definiertes „nationales Empfinden“ soll die Voraussetzung des deutschen Wesens bilden. Dieser Anspruch erfüllt einen exklusiven, nationalistischen Ansatz. Alle inklusiven Gesellschaftsdefinitionen werden relativiert, die Gesellschaft „wächst nicht länger zusammen“, sie setzt sich von den anderen ab.

Angesichts dieser gesellschaftspolitischen Entwicklung in Deutschland, die mit Ängsten und Radikalisierungen einher geht, ist die Auseinandersetzung mit dem politischen System des Nationalsozialismus und seinen Auswirkungen auf das gesellschaftliche (Er-)Leben von elementarer Bedeutung. Damals gestattete ein hemmungsloser Nationalismus die Vernichtung aller als „Volksfeind“ definierter Menschen. Das Ergebnis ist bekannt, seine gesellschaftlichen Wurzeln aber blieben zunächst weitgehend unbeachtet. Seine Aufarbeitung war primär schuldbesetzt und bestimmt durch Distanzierung oder die Berufung auf den Befehlsnotstand. Das kollektive [nationalsozialistische] Bewusstsein hat jedoch diese Gesellschaft entscheidend geprägt, ohne ihre stillschweigende Akzeptanz ist die Entwicklung von 1933 – 1945 nicht denkbar.

Heute, in einer Zeit, in der die persönliche Beteiligung schon zwei oder drei Generationen zurückliegt, können wir uns diesem Phänomen auf künstlerischer Ebene nähern. Das Theater, als Raum der gesellschaftlichen Verdichtung und Reflexion, bietet uns Möglichkeiten, die im theoretischen, intellektuellen Bereich nicht existieren. Wir suchen nach kreativen, spielerischen Möglichkeiten einer gesellschaftlichen Annäherung, Erkenntnis und Aufarbeitung.

In diesem Projekt entfalten die Begriffe spiel • szene • bildung ihre Wirkkraft.

Formale Ziele des Projektes:

  • Das Projekt ist prozessorientiert und sucht Kooperationspartner in Schulen, Vereinen, Jugendinitiativen, bei freien Künstlern, Musikern, Filmemachern, etc., die inhaltliche Teilbereiche zentral übernehmen und unter der Leitung von Christoph Wehr (WildWuchs Theater, drama-tisch) zu einem Gesamtprojekt zusammenführen.
  • Das Projekt soll insbesondere verschiedene künstlerische Sparten (Spiel, Musik, Tanz, Film) mit ihren speziellen Ansätzen ansprechen.
  • Wir suchen in der Erarbeitung Wege und Darstellungsformen, die eine Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus, der einhergehenden Überhöhung der nationalen Identität, der Ausgrenzung, sowie der daraus folgenden Menschenverachtung und Vernichtung erfahrbar machen.
  • Mit dem Verstreichen der Zeit und dem damit verbundenen Aussterben der Zeitzeugen wollen wir eine Zugangsform entwickeln, die einen ähnlich emotionalen und konkreten Zugang ermöglichen.
  • Die Fakten der Menschenvernichtung sind unvorstellbar, sie entziehen sich unserer Vorstellungskraft, sodass wir Wege entwickeln müssen, die das Grauen konkret werden lassen. Verschiedene Wege sind dabei schon beschritten worden, z.B. die Personalisierung der Opfer, die Dramatisierung von Einzelschicksalen, die chorische Aufarbeitung, die Dokumentation, u. v. a. Diese Herangehensweisen wollen wir experimentell erweitern und verbinden.
  • Eine Sicht aus der Täterperspektive soll das Bild vervollständigen und eine Einfühlung in diese Sichtweise möglich machen. Der Gewinn aus dieser Erweiterung lässt die permanente Gefahr, die aus Stigmatisierungen und Ausgrenzungen entstehen, lebendig werden. Aktuelle Bezüge werden sichtbar.
  • Am Ende des Projektes sind mehrere Aufführungen (bis max. Ende Dezember 2019) geplant.

Inhaltliche Schwerpunkte des Projektes:

  • Die Theorie und Geschichte des Antisemitismus
  • Kunst und Kultur im dritten Reich
  • Die Auseinandersetzung mit dem Holocaust an sich
  • Die (industrielle) Ausbeutung und Vernichtung von „unwertem Leben“
  • Der moralische Anspruch des NS-Regimes
  • Die Rechtfertigung der Täter und Mitläufer
  • Das Empfinden der Opfer
  • Die hierarchische Gesellschaft innerhalb der Konzentrationslager
  • Die gesellschaftliche Verarbeitung vor, während und nach dem Auschwitzprozess.

Die Auseinandersetzungsmöglichkeiten oder -notwendigkeiten innerhalb dieses Themas scheinen fast zu komplex, um in einem Projekt verwirklicht zu werden. Schon eine grobe inhaltliche Strukturierung zeigt die Schwierigkeiten, die eine kausale Ableitung, vom politischen Begriff zum soziologischen, zum moralischen, zum psychologischen, mit sich brächte. Auch in der Reihung vom Individuum zur (Volks-) gemeinschaft tauchen vielfältige Abhängigkeiten auf, die nicht als monokausale Begründungen verknappt werden dürfen.
Aber auch hier offenbaren sich die Möglichkeiten des darstellenden Spiels. Kunst, Kultur und Spiel, die zentralen Säulen des Theaters, ermöglichen eine affektive Herangehensweise und Strukturierung des Projektes, die jenseits eines wissenschaftlichen, bzw. akademischen Ansatzes stehen.
Das Projekt und seine Schwerpunkte werden sich im Arbeitsprozess entwickeln.

Leitung: Christoph Wehr

Info: theaterpaedagogik@wildwuchs-bamberg.de


KLAMMS KRIEG

ein Klassenzimmerstück von Kai Hensel

mit anschließender Diskussion
Regie: David N. Koch
mit Christoph Wehr
Dauer: 2 UE

Inhalt

Der Lehrer Klamm ist gefangen. Er ist gefangen in einer Situation, die er nicht auflösen kann. Wie lange er schon feststeckt, wie oft er verschiedene Szenarien im Kopf oder in Wirklichkeit schon durchgegangen ist, können wir nicht wissen. Wir sehen einen Ausschnitt aus seinem Kampf, seinem Krieg. Ein Schüler aus dem Abiturjahrgang hat sich das Leben genommen, Klamms Deutschleistungskurs aus dem Jahrgang darunter gibt ihm die Schuld, denn er hat Sascha, dem toten Mitschüler, einen Punkt weniger gegeben, als dieser zum Bestehen des Abiturs gebraucht hätte. Der Kurs erklärt Klamm den Krieg, fordert eine Entschuldigung. Klamm arbeitet sich daran ab. Er stellt immer wieder neue Versuche an, eine Beziehung zu den Schülern aufzubauen, diese Beziehung zu zerstören oder umzukehren. Er sucht nach Zugängen, Wegen oder Brücken, vernichtet diese wieder, stellt Behauptungen auf, deren Wahrheitsgehalt wir nicht überprüfen können. Denn was ist die Wahrheit? Warum sind die Dinge passiert, wie sie passiert sind? Und sind sie überhaupt passiert? In Klamms verschiedenen Versuchen stellt sich die Frage, ob Sascha und die Verweigerungshaltung des Kurses wirklich der Grund für Klamms Sackgasse sind. Es geht nicht mehr nur um die Beziehung zwischen Lehrer und Schüler, sondern um alle Beziehungen, die im System Schule existieren und woran diese kranken können. Ist Verantwortung einseitig? Wodurch wird das, was Schule sein könnte zerstört? Lassen sich die Perspektiven wechseln? Klamm findet keinen Ausweg, keine Antwort. Klamms Krieg findet nicht nur in seinem Klassenzimmer statt. Er findet jeden Tag in ihm selbst und um ihn herum statt. Die Gewalt, welche das Schlachtfeld prägt, hat viele Gesichter. Körperliche Gewalt gegen andere, sich selbst oder Gegenstände ist nur eine Form. Nichtkörperliche Gewalt kennt noch mehr Abstufungen, bleibt oft unentdeckt und schließt auch die Gewalt gegen sich selbst ein. Wunden bleiben in beiden Fällen, manchmal ein Leben lang. Klamm führt einen Krieg. Sein Gegner ist für uns und vielleicht auch für Klamm selbst nicht immer klar auszumachen. Letzten Endes wissen wir nicht einmal, ob das, was Klamm uns erzählt, wirklich wahr ist. Und trotzdem steckt eine Wahrheit in dem, was er vor uns und mit uns durchlebt. In diesem großen Monolog wird in immer neuen Anläufen versucht, das komplexe Geflecht des Zwischenmenschlichen für einen Moment zu durchschauen.
David N. Koch

Im anschließenden Gespräch werden diese Aspekte angesprochen und debattiert.

Info: theaterpaedagogik@wildwuchs-bamberg.de


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